Jahreslosung 2021: Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! Lukas 6,36
Liebe Freunde/Innen unserer Gemeinde!

„Rache ist süß!“, „Verurteilen“ und „Lästern ist Balsam für die Seele“, wer so denkt und handelt, hat sich von unserem Jesuswort der Jahreslosung weit entfernt. Was bedeutet eigentlich das Wort: „Barmherzig“? ln der althochdeutschen Kirchensprache wird »(b)arm-herzig« mit dem lateinischen Wort »miseri-cordia« bezeichnet – »ein Herz für die Armen haben«. Auch mit anderen Wörtern kann es beschrieben werden: mit weitem Herzen, uneigennützig, anteilnehmend, mitfühlend, hilfsbereit, gütig, großzügig sein.
Dieses prägnante Wort ist eingebettet in Jesu Feldrede (Lukas 6, 27-36), deren Inhalt der „Bergpredigt“ bei Matthäus entspricht (Matthäus 5-7). Das Lukas-Evangelium überliefert uns kostbare Geschichten, in denen Jesus die Barmherzigkeit Gottes zum Leuchten bringt – etwa die Geschichte vom barmherzigen Vater, der den verlorenen Sohn mit Freuden aufnimmt und der zugleich beim älteren, treuen Sohn darum wirbt, mitzufeiern und sich mitzufreuen. Und mit Jesu Verhalten erweist sich die Barmherzigkeit Gottes. So wagt er es, sich von einer stadtbekannten Sünderin die Füße salben zu lassen, ihr zu vergeben, statt sie zu verurteilen. In der Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter macht Jesus deutlich, dass Gott voller Mitleid ist. Nicht das Vergeltungsprinzip: „Wie Du mir, so ich Dir“ soll unseren Umgang bestimmen, sondern von Gottes Barmherzigkeit sollen wir lernen: „Wie Gott mir, so ich Dir“.
Es gibt viele Menschen, die Barmherzigkeit in ihrem Alltag leben, ohne viele Worte zu machen. Dazu haben während der Corona-Pandemie all die vielen Menschen in der Pflege und im Gesundheitswesen gehört, die sich oft bis zum Äußersten eingesetzt, Kranken und alten Nachbarn geholfen haben, in der Telefonseelsorge tätig waren, bei den Essenstafeln und vielen sozialen und diakonischen Projekten aktiv waren.
Die Barmherzigkeit Gottes, die allen Menschen gilt, möchte sich im mitmenschlichen Tun und Lassen widerspiegeln, Not und Unrecht bekämpfen. Wir erleben aber auch, dass unser Wirtschaftssystem nicht barmherzig ist und die Schwachen oft zu kurz kommen. Deshalb ist es wichtig, gegen die Macht der Hartherzigkeit Zeichen der Barmherzigkeit zu setzen, im Alltag immer wieder zu zeigen, dass ein menschlicher, rücksichtsvoller, barmherziger Umgang miteinander möglich ist, wobei wir auch mit uns selbst barmherzig umgehen sollten. Zum Geheimnis von Barmherzigkeit gehört auch, dass wir sie erleben, schmecken und spüren, z. B. bei der Abendmahlsfeier und dass wir im Gebet unser Angewiesensein auf Gottes Gnade erfahren. Im Vaterunser lehrt uns Jesus, um Vergebung zu bitten für die Schuld der anderen als auch unserer Schuld, die wir anderen zugefügt haben. So sollen wir lernen, aus der Gnade zu leben und Barmherzigkeit zu üben, wie wir von Gott Barmherzigkeit erwarten und empfangen.
Martin Luther beschreibt die guten Taten eines Christenmenschen als eine Art „Überfluss“, der von Gott gespeist, durch uns bei den Mitmenschen ankommt. Dieses Bild vom überlaufenden Brunnen zeigt, dass wir wie Schalen sind, die, nachdem sie gefüllt sind, überströmen.
Im Kloster Maulbronn steht in einer Seitennische ein berühmter Brunnen. Drei Schalen sind übereinander angeordnet, die kleinste oben. Das Wasser sammelt sich in der obersten Schale, diese ist zu klein, läuft über in die nächstgrößere darunter, auch die wird voll, quillt über, gibt weiter, was sie nicht halten kann an die nächste; unermessliche Wassermassen, - ein Bild für Gottes unermessliche Barmherzigkeit, die durch uns fließen möchte. Wer sich von Gottes Barmherzigkeit beschenken lässt, wird auch selbst Früchte der Barmherzigkeit hervorbringen. Der christliche Mystiker Meister Eckart zeigt uns mit folgenden Worten auf, welche Einstellung dazu notwendig ist: „Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart. Der bedeutendste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenübersteht. Das notwendigste Werk ist stets die Liebe.”
Ich grüße Sie /Euch herzlichst mit allen guten Wünschen, vor allem Gesundheit, Freude am Leben und Gottes Segen!

Pfarrer Müller

Norbert Müller, Pfr.

„Das Mitgefühl mit allen Geschöpfen ist
es, was Menschen erst wirklich
zum Menschen macht “

Albert Schweitzer, Theologe und Arzt