Andacht zur Jahreslosung 2009: „Jesus aber sagte: Was bei den Menschen unmöglich ist, ist bei Gott möglich!“ (Lukas 18,27)
Liebe Gemeindeglieder und Freunde unserer Gemeinde!

„Wunder gibt es immer wieder“, behauptet ein alter Schlager. —
Aber es lässt sich nicht mit ihnen rechnen. Auf ein Wunder hin kalkulieren mag zwar in den vergangenen Jahren im Trend gelegen haben — aber solche Spekulationen führten allzu häufig in die Pleite. Börsencrashs, Banken und Firmeninsolvenzen, Produktionsstopps und Kurzarbeit sind die Nachwirkungen der Finanzkrise, die letztes Jahr spürbar wurde, weil Banken ohne Kontrollmechanismen nach der Devise handelten: „Gewinnmaximierung um jeden Preis“. „Nichts ist unmöglich“ lautet der Werbespruch eines großen japanischen Automobilherstellers, der auch nicht von der weltweiten Wirtschaftskrise verschont geblieben ist.
Um den Wohlstand zu mehren, kannte man keine Grenzen und ließ Risiken außer acht. Sicher sind aus dem Wohlstand auch viele Wohltaten erwachsen, die vielen Menschen ein relativ sorgenfreies Leben bereitet haben und unsere Freizeit und Lebensqualität ermöglicht haben.
Aus den Krisen lernen wir: Wohlstand und Wohltaten sind zerbrechliche, vergängliche Güter. Wer sie bewahren will, darf sie gerade nicht zum letzten Wert machen. Wettbewerb, Wachstum und Gewinn sind wirtschaftliche Instrumente; eine verlässliche Lebensgewissheit stiften sie nicht.
Aber was hilft es zu wissen, dass bei Gott mehr möglich ist, als bei den Menschen - wenn man sich dafür nichts kaufen kann?
Vielleicht ist es ja gerade dieses Denken, das von Jesus in Frage gestellt wird. Im Lukasevangelium geht unserem Losungswort die Begegnung Jesu mit einem reichen jungen Mann voraus. Sein Lebenswandel ist untadelig. Er hält sich an die Gebote, liebt Gott und seine Nächsten. Nur bei der Frage nach seinem Reichtum gibt er klein bei. Alles aufgeben - den Armen geben, um eines Schatzes im Himmel willen? Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, heißt es dann.
„Wer kann dann selig werden?“ — ist die ängstliche Frage der Jünger, nachdem sie diese Begegnung miterlebt haben. Wer möchte den eigenen Reichtum loslassen? Wer würde denn ohne gesicherten Eigenbedarf alles abgeben? Die ganze Ökonomie würde aus den Fugen gehen.
Nicht nur die Annehmlichkeiten des Wohlstands und die materielle Sicherheit wären dahin. Auch das bisherige Leben wäre entwertet. Die eigene Lebensleistung und die erworbenen Ansprüche – alles wäre dahin. Kein Wunder, dass den jungen Mann Trauer befällt. Er hatte andere nicht übervorteilt, er war nicht besessen von Gier — und dennoch spürt er mit großer Wehmut, wie sehr sein Leben und seine Vorstellungswelt von wirtschaftlichen Werten geprägt sind.
Hergeben, was einem lieb ist, das ist schwer. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr. Natürlich geht ein Kamel nicht durch ein Nadelöhr. Das Nadelöhr war die kleinste Pforte in den Mauern Jerusalems. Ein Kamel war dafür viel zu groß, abgesehen davon, dass es das gar nicht wollte. Das Wort Jesu ist zum geflügelten Wort geworden, wenn man etwas Unmögliches bildhaft benennen will. Durch Jesu Wort zeigt Gott uns die Enge unserer Vorstellungswelt und unsere Abhängigkeiten — und er führt uns heraus. Er schafft eine neue Perspektive, indem er deutlich macht: Reich ist derjenige, der erkennt, was er nicht kann und was er getrost Gott überlassen sollte. Gott macht so dem Menschen seine Grenzen bewusst, damit der Mensch Gott erkennt und ihm in seiner Größe Allmacht erweist. Hinsichtlich der menschlichen Grenzen formulierte Goethe es so: „Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschbare erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren. Der Glaube ist nicht der Anfang sondern das Ende allen Wissens".
Die Jahreslosung 2009 passt auch gut zu dem reformatorischen Grundanliegen des Genfer Reformators Johannes Calvin, dessen 500. Geburtstag wir am Sonntag, den 12. Juli um 18 Uhr mit einer Gedenkfeier begehen wollen. Calvin hat herausgestellt: Wer anerkennt, dass er selbst nichts zu seiner Erlösung beizutragen vermag, sondern alles Gott verdankt, der hat Gott erkannt und gibt ihm dadurch die Ehre. Oder anders gesagt: Erst wenn wir Menschen Gott wirklich als Gott anerkannt haben, werden wir uns unserer Grenzen heilsam bewusst werden. Johannes Calvin lehrt uns, Gott ernst zu nehmen und auf seine Gnade zu hoffen.
Ich wünsche Ihnen allen für Ihren weiteren Weg durch das Jahr 2009 alles Gute, vor allem Gesundheit, Frieden, Gottes Segen und die Kraft, zur Ehre Gottes zu wirken

Herzlichst
Norbert Müller

„Wir müssen unser ganzes Leben lang vorwärts kommen, und alles, was wir erreichet haben, ist immer nur Anfang."

Genfer Reformator , Johannes Calvin, 1509-1564